informal | cafè tipo madrid
Mein heutiger Trip führt mich nach Spanien oder genauer gesagt, nach Madrid. Geografisch sind wir natürlich noch in Offenbach verankert, in meinem Blog geht es schließlich um die multikulturelle Stadt am Main- und trotzdem wird es heiß, temperamentvoll und ländertypischzugleich. Ich bin zu Gast im informal | cafè tipo madrid.
Um über die „schönen Ecken aus Offenbach“ zu berichten reicht es nicht nur ein, zwei mal an diesen vorbei zu gehen, manches mal muss man auch genauer hinschauen. Vielleicht sogar mal hinter die Kulissenblicken. NikkeBerger geht nämlich dahin wo es ihm besonders gut gefällt und manchmal noch ein kleines Stückchen weiter. Daher habe ich mir kurzerhand meine Kochjacke, inklusive Schürze und Messertasche geschnappt und bei der gebürtigen Spanierin Gema Sànchez in der Küche des „informal“ angeheuert.
Privat führt mich mein Weg schon ein paar Jahre durch die kleineGasse, in der das informal seinen Platz gefunden hat und die den Wilhelmsplatz mit dem Marktplatz verbindet. Dort öffnet seit Mai 2014, an unterschiedlichen Tagen (je nach Jahreszeit) das kleine „informal“ seine Tore. Mit ihrem kleinen, ländertypischen Hybriden aus Café, Bar und Restaurant bringt Gema Sànchez ganz viel spanischeGastfreundlichkeit und ein mediterranes Lebensgefühl in den kleinen Biergrund nach Offenbach.
Dies gefällt nicht nur mir, ihr Konzept kommt an. Ende Mai geht der Laden in das vierte Jahr und in ihrem Kopf überschlagen sich die Ideen.
Gema ist vielseitig begabt und hat in ihrem Leben schon so einiges gemacht und ausprobiert. Ursprünglich ist die Spanierin gelernteFremdsprachen Übersetzerin. Spanisch, Englisch, Deutsch, Französisch und Italienisch– alles kein Problem. Um noch etwas weiter zu kommen, hat sie noch ein Studium oben drauf gesetzt, seit dem darf sie sich Kommunikationswirtin schimpfen. Mit dem Studium in der Tasche hat sie bei der großen Werbe/ und Kommunikationsagentur OgilvyAnstellung gefunden. Dort hat sie dann erstmal Werbung für die Pharmaindustrie gemacht. „Mein Herz schlägt schon immer für die Medizin“, erzählt mir Gema im Gespräch. Nach ein paar Jahren dort, mit reichlich Erfahrung im Gepäck, hat sie sich dann mit ihrer eigenenMarketing und Kommunikationsagentur „Wortfamilie“ selbstständig gemacht. Diese führt sie bis heute. Über die Kommunikation mit ihren Kunden und der Liebe zum Thema Essen, ist dann in logischerKonsequenz ihr spanisches Cafè-Bar-Restaurant Konzept „informal“ entstanden.
Im informal trifft man sich. Hier ist man unter gleichgesinnten. Der kleine, schlauchartige Gastraum beherbergt 4 Tische, an denen jeweils 4 Gäste Platz finden, darüber hinaus gibt es natürlich noch eine kleine Bar, von der aus alles gelenkt und gemanagt wird. Der Mittelpunkt. Vor der Tür des kleinen Ladens stehen dann noch 2 Stehtische, die im Sommer zusätzlich ein paar Bierzeltgarnituren an die Seite bekommen. Zur Toilette kommt man im informal nur mit Schlüssel. Diesen bekommen wir hinter der Theke. That’s it!
Ist man dann erstmal zu Gast trinkt man gute Kaffeespezialitäten, ländertypisches Bier aus der Flasche oder wer es gerne etwas feinermag, auch das ein oder andere Gläschen erstklassigen, spanischen Wein. Der Wein wird hier allerdings nicht wie in Deutschland so üblich, in einem hübschen Weinglas ausgeschenkt, sondern in einemhalbhohen Wasserglas (wir würden dazu „etwas größeres Teelicht-Gläschen“ sagen). Im informal | cafè tipo madrid geht es bodenständig und einfach zu, allerdings und das muss ich besonders betonen:
mit erstklassigen Produkten.
Von den erstklassigen Produkten konnte ich mich hinter den Kulissen selber überzeugen. An zwei Tagen unterstütze ich Gema in der Küche, um mich noch etwas genauer über ihr Herzensprojekt zu informieren. „Ich bin mittendrin, Stadt nur dabei“, wie es so schön auf meiner Instagram Seite heißt. Ich möchte wissen, wie es zugeht bei der sympathischen Spanierin und ob das gute Gefühl welches man als Gast zu spüren bekommt, nicht nur diesem vorbehalten ist.
Am Donnerstag Mittag bereite ich mit Gema das Mise en Place für das bevorstehende Abendgeschäft zu. Von Diversen kalten Tapas Kreationen (Spanische getrocknete Wurst, grüne Oliven oder Boquerones, dass sind Sardellen), über Vinaigretten die Salate und Ziegenkäsescheiben zieren sollen, zu einer bodenständigen Kaffee-Bier-Marinade für das exzellente Premiumfleisch aus der Extremadura, dass „Pluma de Cerdo Ibèrico Bellota“ bin ich am ersten Tag ganz schön gefordert. Ich frittiere Zwiebeln und Kroketten, verfeinere Linsensalat mit Minze, Gurke und Zitrone um dem Zanderfilet eine Beilage zu liefern oder koche ein leckeres Apfelraguot ein, zu dem wir Blutwurst reichen. Mein Kopf ist voll, es ist viel zu tun aber Gema bleibt locker, so wie ich sie als Gast auf der anderen Seite bereits kennenlernen durfte. Es ist Platz für eigene Ideen, ich darf mich nicht nur einbringen, es ist sogar gewünscht. Ich fühle mich wohl.
Das Abendgeschäft beginnt und die Gastgeberin ist in ihrem Element. Nach der Frage was ihr an ihrer Arbeit im informal am meisten Spaß macht, antwortet sie mir: „In meinem kleinen Reich kann ich so sein wie ich bin, ich kann mich hier selbst fühlen und entfalten, dass ist mir das wichtigste.“ Kommunikation wird groß geschrieben, sie entertaint und verwöhntihre Kunden und bringt dabei gleichzeitig ihre tollen kalten, sowie warmen Tapas Kreationen und Speisen, die wir am Nachmittag vorbereitet haben an den Mann. Je mehr ich ihr den Rücken in der Küche freihalte, desto mehr Gas kann sie im Gastraum geben.
Ab ca. 20:30h bekomme ich in der Küche noch etwas mehr Verantwortung übertragen. Nun schaut mir die Chefin über die Schulter, während ich Bon für Bon, “en Minute” die Bestellungen abarbeite, die abwechselnd von Gema und der sympathischenBedienung Marita in die Küche gereicht werden. Marita, dass kann man hören, kommt gebürtig aus dem Osten, Dresden um genau zu sein. Mit ihrem hessischen Mischmasch in der Stimme, ist es wirklich herzallerliebst ihr zuzuhören und den Abend zu durchleben.
Das Abendgeschäft läuft hervorragend und auch bei meinen Runden an den Tischen der Gäste vorbei, ernte ich gutes Feedback. Vielleicht liegt das aber auch an dem sehr guten Federstück vom Iberischen Bellota Schwein in Kaffeemarinade, welches 8 Monate in Freilandhaltungseine Runden auf der Wiese gedreht und dabei die meiste Zeit Eicheln gefressen hat. Die Herkunft und die gute Qualität der Produkte die hier verarbeitet und verkauft werden, liegen der Chefin ganz besonders am Herzen. 90% ihrer tollen Lebensmittel kommen aus Spanien, genauer gesagt aus dem Naturschutzgebiet Dehesa in Badajoz. Da haben die Tiere einfach ein gutes Leben bevor sie dann ihre letzte Reise antreten. Ich habe es ausprobiert und kann dies nur bestätigen. Das Schwein war wahnsinnig lecker, in Offenbach habe ich noch kein besseres Stück Fleisch probieren können. Für ihre tollen Produkte hat sie nun schon im dritten Jahr in folge das „Slow Meat Zertifikat“ erhalten. Am Ende des ersten Tages, liegen wir uns alle bei einem Bierchen im Arm und stoßen auf den gelungenen Abend an.
Tag 2 beginnt ebenso entspannt und gut gelaunt, wie der gestrige Tag aufgehört hat. Nach dem Gema den Laden aufgeschlossen hat, wird jeden Tag zu allererst die Musik aufgedreht, dann gibts einen Kaffee, um diesen im Anschluss mit einem kühlen Bierchen zu begießen.
Heute steht in der Küche etwas neues an. Am Freitag Abend und Samstag Mittag werden im informal zusätzlich Pinchos angeboten. Das sind kleine Häppchen auf Brot serviert, die hinter den Kulissen, in der kleinen Küche vorgefertigt werden, um sie dann von der Theke aus einzeln zu verkaufen. Eine Strichliste wird für jeden Tisch geführt. Ähnlich wie in einem Sushi Restaurant. In der Küche heißt es für Michael und mich filigrane Arbeit am Fließband. Michael unterstütztGema an diesen Tagen in der Küche und hat heute sogar angeordnet, dass sie komplett im Service bei ihren Gästen bleibt. Ganz schick im schwarzen Anzug, versteht sich. Wir sind schließlich schon zu zweit in der engen Küche. Küchenballett ist angesagt, wir tänzeln umeinander herum. Michael hat bisher in einer Metzgerei hinter der Theke gestanden und im Cateringbereich langjährige Erfahrung gesammelt. Aktuell macht er eine Umschulung zum Speditionskaufmann und hilft Gema wo er nur kann. Eine gute Seele.
Bei einer kurzen Teambesprechung legen wir fest, wie wir die feinen Zutaten in schmackhafte Brotkreationen umwandeln. Kreativität ist heute gefragt. Dann wird auch schon geschnitten, geschmiert, gebratenund dekorativ belegt was das Zeug hält. Bis spät in den Abend hinein sind wir beschäftigt und müssen immer wieder ran und die leckeren Häppchen produzieren um nachzulegen. Jedes einzelne Pincho ist ein kleines Kunstwerk und könnte in einer etwas größeren Portion sogar als Vor/- bzw. Hauptspeise auf die Teller gebracht werden.
Der Abend verläuft gut, sehr gut sogar. Die Gäste im informal haben Spaß. Sie verputzen die Pinchos und zahlreiche Getränke, die immer wieder fröhlich gelaunt, mit einigen Anekdoten von Marita und Gema an den Gast gebracht werden. Noch bevor die Küche offiziell schließt, stehen Marita, Gema, Michael und ich im Gastraum und werden Teil des Geschehens. Das gibt es auch nicht in jedem Laden, es macht einfach Spaß. Jeder fühlt sich irgendwie wie im eigenen Wohnzimmer, jedoch mit einem spanischen Anstrich und jeder menge fremder Leute, die nach dem Abend meistens zu Freunden geworden sind.
Das ist typisch und unterscheidet das informal von anderen Restaurants. Anonymität bekommt man woanders.
Wenn Gema Sànchez den Kurs der ersten 3 Jahre weiter hält und ihr Konzept aus Cafè, Bar und Restaurant mit einigen besonderen Eventsweiter ausbaut und vielleicht noch den ein oder anderen zusätzlichenNachmittag mit exzellenten, einfachen Speisen für ihre Kunden da ist, prophezeie ich ihr nicht nur weitere 3 erfolgreiche Jahre, dann könnte sie daraus mit ihrer Power und ihrer ganzen Art Jahrzehnte machen. Ich möchte in Zukunft immer mal wieder gerne ein kleiner Teil des großen Ganzen, im spanischen Kosmos von Gema Sànchesz sein. Tut es mir gleich und besucht dieses kleine Stück Spanien in Offenbach. Kurzurlaub ganz in eurer Nähe.
informal | cafè tipo madrid – Kleiner Biergrund 17 – 63065 Offenbach am Main – Tel. 0176 70060627