Pedalinski
Für meinen heutigen Gesprächstermin hat es mich mit meinem Fahrrad ins urbane Nordend verschlagen. Der Treffpunkt für mein Interview ist die OFOF CafeBar. Bei Apfelschorle und Milchkaffee sitze ich mit Andreas Desch in hipper Atmosphäre, um mit ihm über sein Geschäft zu plaudern. Unter dem Namen Pedalinski hat Andreas im Jahr 2014 seinen Fahrradladen in Offenbach eröffnet. Als Fahrradausstatter und Werkstatt steht er seinen Kunden mit einer ganzen Menge Know-How rund um das Thema Fahrrad zur Verfügung. Draußen ist es mächtig kalt aber Dank strahlendem Sonnenschein beantwortet mir Andreas gut gelaunt meine Fragen. Die ersten Sonnenstrahlen kündigen nämlich nach der dunklen Winterpause den Frühling an. Im Moment genießt mein Gesprächspartner allerdings noch ein wenig die Ruhe vor dem Sturm, denn die Saison hat noch nicht begonnen. Andreas sagt: „Sobald die Sonne anfängt zu scheinen, häufen sich bei mir im Geschäft die Aufträge aber die klassische Grenze im Fahrradhandel ist erst erreicht, sobald die Außentemperatur die magische Grenze von 15° übersteigt. Aktuell denken nur die hartgesottenen unter uns ans Radfahren.“ Ich nehme das mal als Kompliment und drücke an meinem Diktiergerät auf die Aufnahmetaste.
Andreas kommt vom Land und ist mit seiner Familie im Kinzigtal aufgewachsen. Nachdem er sein erstes Auto bereits während seines Zivildienstes in den Sand gesetzt hat und es damit aus dem Weg geräumt war, ging es für ihn erstmal auf Weltreise. Mit dem Rad versteht sich. Mein Gegenüber ist inzwischen nämlich seit über 30 Jahren mit dem Fahrrad unterwegs. Ein neues Auto hat er sich bis heute nicht angeschafft. Aktuell bewegt Andreas 2- 4 Räder, je nach Bedarf. Wenn er zurückblickt, standen aber sicherlich 30- 40 Räder, in den unterschiedlichsten Ausführungen und Farben in seinem Keller. Er hat bereits Mountainbikes durchs Gelände bewegt aber auch Lastenräder durch die Innenstadt manövriert. Selbst die 180 Kilometer, die bei einem Triathlon auf dem Programm stehen, waren für den 51 Jährigen auf seinem Rennrad kein wirkliches Problem. Zusammengefasst kann man sagen: Seit dem Andreas denken kann, ist er auf dem Fahrrad unterwegs. Ein richtiger Pedalinski eben!
Um näher bei seinem Geschäft zu sein, radelt Andreas seit Anfang des Jahres, in logischer Konsequenz nun nicht mehr aus Sachsenhausen, sondern aus Rumpenheim zur Arbeit. Denn auch im vierten Jahr wird der Laden seine Öffnungszeiten etwas nach oben schrauben. Damit möchte Pedalinski seinen Kunden in der Hauptsaison einen noch besseren Service bieten. Bei seiner Arbeit im Fahrradladen profitiert Andreas von seinem Know-How, welches er sich in den letzten 20 Jahren, während seiner Zeit in Frankfurt angeeignet hat. Dabei blickt er gerne auf die unterschiedlichen Stationen zurück. „Ich habe 89 als Radkurier begonnen,“ sagt Andreas. Das hat allerdings nichts mit der Vorstellung zu tun, die ich dank Hollywood im Kopf habe. Nichts mit Fixiebike und Kuriertasche auf dem Rücken. Im Gespräch räumt Andreas erstmal mit einem Mythos auf: „An meinem ersten Tag hatte ich keine Ahnung, wo in der großen Stadt vorne und hinten ist. Da kann man als Kind vom Land schon mal den Überblick verlieren. Mit einem normalen Rad, einem alten Rucksack und einem Falt-Stadtplan in der Hand ging es dann auf die erste Tour.“ Auf der hieß es für Andreas dann in die Pedale treten und sich zurecht finden. „Das war alles ziemlich un-sexy. Wenn man allerdings richtig schnell war, konnte man in der guten-alten Zeit auch richtig gutes Geld verdienen,“ sagt Andreas. Parallel dazu hat er sich sein Gehalt bereits als Aushilfe in verschiedenen Fahrradläden aufgebessert.
Vom Radkurier über Aushilfsjobs ging es für Andreas im Anschluss als Storemanager in dem Mountainbike-Geschäft Montimare weiter. Nach ein paar Jahren mündete die Anstellung dort allerdings ziemlich schnell im ersten eigenen, kleinen Radladen. Mit einem Freund hat er zusammen das Radfix in Frankfurt ins Leben gerufen. „Das Geschäft lief richtig gut, aber ruck zuck kommen dann so Partnerschaftsthemen und Ungereimtheiten auf den Tisch. Wir wollten beide etwas anderes. Das Ende vom Lied war dann, dass ich ihm meine Hälfte des Ladens verkauft und eine kurze Pause eingelegt habe.“ Nach einer kurzen Verschnaufpause hat es ihn auf seiner Reise dann nach Offenbach in die Bikeschmiede geführt. „Leider hat die Bikeschmiede, in der ich eine Anstellung bekommen habe, ziemlich schnell seine Tore geschlossen. Aus der Insolvenzmasse konnte ich allerdings einiges an Equipment übernehmen und habe dann lustiger Weise den heutigen Laden in der Kaiserstraße gefunden.“ Der Laden wiederum, erzählt mir Andreas, „war die erste Räumlichkeit, die ich mir mit meinem damaligen Partner für das Radfix angesehen habe. Im Jahr 2006 haben wir uns allerdings noch gegen den Laden und Offenbach entschieden, denn in Sachen Radfahren war hier zu der Zeit einfach noch zu wenig los!“ Als er dann aber auf der Suche nach einer geeigneten Ladenfläche für sein eigenes Geschäft war und über das Schild im Schaufenster “zu vermieten” gestolpert ist, musste er einfach zugreifen. Mit einem Lachen im Gesicht sagt Andreas: „Ich habe das mal als gutes Zeichen gesehen und sofort unterschrieben.“
Seit dem ist Pedalinski in dem kleinen Eckladen zu finden. Vor Ort hat sich der Radladen als Spezialist für moderne, alltagstaugliche und pflegeleichte Stadt– und Tourenräder etabliert. Andreas arbeitet in seinem Geschäft markenunabhängig, um seinen Kunden nur die besten, von ihm vor-selektierten Räder einer Marke anzubieten. „Sobald du nämlich eine bestimmte Marke vertrittst, musst du sehr hohe Stückzahlen abnehmen und diese dann auch vertreten.“ Er müsste also hinter dem Kompletten Sortiment einer Marke stehen. „Das kann und möchte ich nicht! Die Kunst besteht für uns darin, die guten Modelle rauszufinden,“ sagt Andreas. Das wichtigste Leitmotiv lautet: Keep It Simple. Das Herz von Pedalinski schlägt für feine Räder aus Stahl. Andreas holt in unserem Interview aber noch weiter aus: „Unser Steckenpferd ist die Manufaktur. Das heißt im Klartext, die Räder werden für den Kunden hergestellt und produziert. Vorab hören wir uns genau an, was der Kunde möchte, danach beraten wir ihn ausführlich und schauen, dass das Fahrrad am Ende dem Kunden gefällt.“ Bei Pedalinski kann der Kunde sein Rad risikolos und ohne Kaufverpflichtung bestellen. „Meine Prämisse ist, dass der Kunde sein Rad vor dem Kauf sehen und vor allem Probefahren muss. Erst dann fällt bei uns die Entscheidung ob Hop oder Top! So einen Service bieten dir die wenigsten Händler an,“ sagt Andreas.
Überhaupt wird im Hause Pedalinski der Service groß geschrieben. Neben der individuellen Beratung beim Fahrradkauf, kümmert sich die Werkstatt um alle Fahrradtypen und Marken. Die Bandbreite die Andreas Mechaniker abdecken ist enorm. „Wir kümmern uns um alle Räder, egal wann und wo diese gekauft wurden. Ob da nun jemand mit einem alten NSU Rad reinkommt und’n Kettchen für seine Dreigang-Rücktritt-Schaltung benötigt oder im nächsten Moment der Triathlet vor dir steht und dir eine elektronische Schalteinheit von seinem Boliden auf den Tisch knallt, wir bekommen in der Regel alles, schnell und kompetent unter einen Hut.“ Auf der technischen Seite verlässt sich Andreas voll und ganz auf seine Mechaniker und erzählt stolz: „Meine Jungs machen seit vielen Jahren einfach nichts anderes als Fahrräder zu reparieren. Die sind noch eine Spur mehr Freak als ich. Ich mag zwar auch Fahrräder über alles aber da gibts einfach Leute die sammeln Naben, Lenker oder alte Rahmen und das sind schlichtweg die Jungs, die auch die Technik besser beherrschen als ich.“ In seiner Werkstatt beschäftigt Andreas zur Zeit 2 Festangestellte. In der stressigen Hauptsaison kommen dann noch 2 Aushilfen zur Verstärkung dazu. So möchte er in seinem Geschäft einfach einen reibungslosen Ablauf gewähren. „Unsere Kunden sind schließlich auf ihr Fahrrad angewiesen und möchten es schnell zurück,“ sagt Andreas. Sollte die Reparatur doch mal zu kompliziert oder ein bestimmtes Teil nicht zu bekommen sein, dann ist Pedalinski ehrlich zu seiner Kundschaft und informiert diese über das Problem. Im Gespräch sagt Andreas: „Die schwierigste Aufgabe in einem Fahrradgeschäft mit angeschlossener Werkstatt ist allerdings diese sauber zu halten.“
Aktuell beschäftigt sich Andreas mit ersten Plänen für die Zukunft. Im nächstes Jahr soll der Laden zum 5-jährigen Jubiläum von Grund auf erneuert werden. Decken sollen raus, industrieller Charme hinein. Er denkt über eine neue Beleuchtung und Verkaufsraumgestaltung nach, würde aber auch gerne mal Räder einfach an die Decke hängen können oder ähnliches. „Zu meinen Aufgaben gehört schließlich auch, dass ich mich darum kümmere wie der Laden dasteht, wie die Webseite oder Anzeigen gestaltet sind und das Konzept des Ladens aussieht.“ Er hat viele Ideen, die – wenn alles klappt – in einem Eröffnungsfest münden sollen. „Schließlich bin ich mit Pedalinski dann schon 5 Jahre für meine Kunden da und das soll als kleines Dankeschön einfach mal zelebriert und gefeiert werden.“ Ansonsten ist er auf einem guten Weg und möchte genauso weitermachen. An Offenbach schätzt er inzwischen die unkomplizierte, ehrliche und menschliche Art. „Wenn einem etwas nicht gefällt, bekomme ich in der Regel sofort ein Feedback. Wir sind schließlich alle nur Menschen.“ Die Arbeit in seinem Fahrradladen macht ihm Spaß. Er freut sich auf neue Technik und natürlich immer wieder darauf, neue und schöne Fahrräder für seine Kunden auszusuchen.
Der Name Pedalinski stammt übrigens aus der Öko-Bewegung. Denn bekanntlich sind damals ja „nur“ die Ökos Rad gefahren. Es galt jahrelang ein bisschen als Schimpfwort: „Ahh! Schau dir mal den Pedalinski an. Mach dich von der Gasse,“ witzelt Andreas. Das Schimpfwort hat sich über die Jahre allerdings um 180° gedreht. Es ist sprichwörtlich salonfähig geworden. „Inzwischen ist es cool mit dem Fahrrad unterwegs und damit ein Pedalinski zu sein.“ Außerdem hat sich Andreas bei der Schreibweise für die edele Endung mit „… ski“ entschieden: „Die hat so was feines, könnte auch ein Herrenausstatter sein,“ findet Andreas. Damit verleiht er seinem Laden das gewisse Etwas. Pedalinski der Fahrradausstatter.
Andreas möchte mit seinem Fahrradgeschäft jedem ans Herz legen, sich intensiver mit dem Thema Rad auseinanderzusetzen. Ihm geht es bei Pedalinski um die Verbindung von Herz und Seele beim Radfahren. „Für eine Radius von 5- 10 Kilometern ist das Fahrrad in jeder Statistik das beste Fortbewegungsmittel. Wie gut einem das Radfahren tut und wie schnell man ohne Infrastruktur, stressfrei von A nach B kommt, ist einfach unschlagbar. Es gibt in der schönen Jahreszeit von April bis September im urbanen Raum einfach kein besseres Fortbewegungsmittel als das Fahrrad.“ Durch das Radfahren nimmt man einfach mehr am kulturellen Leben Teil. Man bewegt sich an der frischen Luft und tut seiner Gesundheit etwas Gutes. Ganz nebenbei schont das Radeln unseren Geldbeutel und die Umwelt gleich mit. Was ein toller Nebeneffekt. Wir sollten langsam umsteigen, aufsatteln und es den Vordenker-Städten wie Oslo, Kopenhagen und Amsterdam gleichtun. Autofreie Innenstadtbereiche und mehr Fahrradautobahnen für eine gesündere Zukunft und besseres Klima. Die Politik wird daran – dank der Automobillobby – so schnell nichts ändern können. Bis ein Umdenken und ein entsprechendes Ergebnis vorliegt, ist es noch ein langer Weg. Wir sollten daher den kurzen Weg zu Pedalinski einschlagen und es selber anpacken. Egal ob wir mit einem, drei oder einundzwanzig Gängen unterwegs sind, wir sind unterwegs. Am Ende kann dann nämlich keiner mehr behaupten: „Hätte, Hätte – Fahrradkette …“
Pedalinski Fahrräder – Kaiserstraße 92 – 63065 Offenbach – Telefon: 069 80908399 – Email: info@pedalinski.de – Facebook
Öffnungszeiten: Dienstag – Freitag: 9:00h – 19:00h, Samstag: 10:00h – 15:00h
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